Streng geschützte Schwarzstörche und Rotmilane zeigen kein Meideverhalten vor todbringenden Windkraftanlagen
Bad König-Zell: Verein MUNA e.V. klärt auf über Schwarzstorch und Rotmilan im Odenwald
von Angelika Emig-Brauch, 30. Januar 2019
BAD KÖNIG. – Entgegen der bis vor einigen Jahren verbreiteten Meinung, dass der Schwarzstorch im Odenwald nicht vorkomme, konnte der Verein MUNA e.V. durch mehrjährige Untersuchungen und Kartierungen einen flächendeckenden Bestand des streng geschützten Schwarzstorches von 16 Paaren im gesamten Odenwald belegen.
Der Vorsitzende des Vereins MUNA e.V., Mensch, Umwelt-, Natur- und Artenschutz, Dirk Bernd, berichtete bei einer Veranstaltung des NABU Kreisverbandes Odenwald vor einer großen Zahl interessierter ZuhörerInnen im Gasthaus zur Krone in Bad König-Zell über die Lebensweise und die Verhaltensökologie des seltenen Schwarzstorches, sowie über die Gefahren, denen er ausgesetzt ist.
In der vergangenen Brutsaison in 2018 gelang es der Gruppe um Dirk Bernd, wieder mehrere Horste des seltenen Schwarzstorches im Odenwald ausfindig zu machen und die Aufzucht der Jungen mit eindrucksvollen Bildern zu dokumentieren.
Pro Paar wurden 2 bis 5 Junge in diesem witterungsbedingt günstigen Brutjahr großgezogen. Durchschnittlich wurden pro Brutpaar drei Jungstörche flügge. Sind die Jungen geschlüpft, werden sie in den ersten zwei Wochen von einem Altvogel, meist dem Weibchen, nicht aus den Augen gelassen und vor Gefahren geschützt.
Später bringen die Eltern in ihrem Kropf in 2- bis 3-stündigen Fütterungsintervallen Nahrung aus den zahlreich vorhandenen Bächen, Wiesengräben, Tümpeln und auch Feuchtwiesen herbei, darunter Forellen, Groppen, Bachneunaugen, Krebse, Mäuse, Frösche, Kaulquappen und Insekten. Meist legt der Schwarzstorch im Odenwald seine Horste auf Kiefern und Buchen an, die nicht tief im Wald versteckt sein müssen, sondern auch direkt an Wirtschaftwegen liegen können.
Die Nutzung des Lebensraumes unterliegt jedoch einer hohen Dynamik. So werden Bruthorste, bedingt durch forstliche Nutzung wie auch durch Störungen verschiedenster Art, meist nicht länger als 3 Jahre genutzt und 1 bis 3 Ausweichhorste angelegt. Immer häufiger kommt es zu Fällen von Vergrämungen streng geschützter Großvogelarten, betonte Dirk Bernd, wie der Beschuss von Horsten, die Fällung von Horstbäumen oder gar Tötung der Tiere. Meist kommt dies im Zusammenhang mit der Errichtung von Windenergieanlagen vor.
Im Odenwald werden inzwischen gezielte Maßnahmen zum Schutz des Schwarzstorches durchgeführt. Bei Pflegearbeiten an Fließgewässern finden die Bedürfnisse des Schwarzstorches Berücksichtigung. Ebenso wird die Gefahr des Todes an Stromtrassen durch gezielte Maßnahmen vermindert.
Vor Windkraftanlagen zeigen Schwarzstörche sowie auch der streng geschützte Rotmilan, für den Deutschland mit einem Anteil des Weltbestandes von über 50% eine große Verantwortung trägt, kein Meideverhalten. Auf ihren Thermik- und Transferflügen zu den Nahrungshabitaten über die Höhenrücken des Odenwaldes müssen die Vögel häufig gleich mehrere Windparks durchqueren.
Rotmilane werden sogar förmlich von den Anlagen angezogen. Sie nutzen die günstigen Thermikverhältnisse entlang der bewaldeten Höhenzüge und fliegen die Freiflächen um die Windenergieanlagen z.T. täglich mehrfach an, um sie als profitable Nahrungsquelle, wo sie Insekten, Vögel und Kleinsäuger finden, zu nutzen.
Der Odenwald stellt für den Rotmilan ein optimaler Lebensraum dar, welcher nach bisherigen Ergebnissen von MUNA e.V. eine Siedlungsdichte von 15 Paaren pro 100 km² aufweist. Sogenannte Quellpopulationen, wie es Dichtezentren mit über 10 Brutpaaren pro 100 km² sind, sind essentiell für die Erhaltung des Rotmilans weltweit.
In vier Untersuchungsflächen von je 100km² konnten 86 Brutpaare des Rotmilans ermittelt werden. Die Siedlungsdichte des Rotmilans liegt im Odenwald bundesweit an der Spitze, kaum in einer anderen Region gibt es so viele Rotmilane wie bei uns, erläutert Angelika Emig-Brauch, von MUNA.
Die deutschlandweite Bestandsentwicklung des Rotmilans zeigt seit Beginn der 90er Jahre einen kontinuierlichen jährlichen Rückgang von 1,8%. In einigen Flächenbundesländern sank der Bestand analog zum Ausbau der Windenergie um über 50%. Bei Untersuchungen im Vogelschutzgebiet Vogelsberg konnte ein Rückgang des Schwarzstorchbestandes von über 60% seit 2004 mit damals noch 30 Windenergieanlagen im Vergleich zu 2017 mit fast 300 Anlagen auf nur noch 5 Brutpaare verzeichnet werden.
Für die Erhaltung der im Odenwald in hohen Siedlungsdichten vorkommenden Arten Schwarzstorch und Rotmilan ist ein Verzicht der Windenergienutzung als Hauptgefährdungsursache unvermeidbar, so Bernd abschließend. In der Broschüre „Der Schwarzstorch im Odenwald“ sind die Untersuchungsergebnisse von 2016/17 zusammenfassend dargestellt. Die Broschüre ist erhältlich in der Buchhandlung „Paperback“ in Bad König, Bahnhofstraße 43 oder kann über die Homepage des Vereins www.muna-ev.com bestellt werden.