Bürger als Kleinkinder: Erziehung mit teuren Kampagnen

https://www.nzz.ch/international/teure-kampagnen-wie-die-deutsche-regierung-die-buerger-erzieht-ld.1712273

Der Bürger, das Kleinkind: wie die deutsche Regierung das Volk mit teuren Kampagnen zu erziehen versucht

Wer dachte, das politische «Nudging» der Deutschen sei mit dem Ende der Ära Merkel vorbei, hat sich getäuscht. Die Materialschlacht geht weiter.

Von Susanne Gaschke, 20. November 2022

Im Jahr 2015 verspürte die deutsche Regierung plötzlich ein dringendes Interesse, mit den Bürgern zu sprechen. Es war die Zeit der Flüchtlingskrise und der Pegida-Demonstrationen im Osten. Bundeskanzlerin Angela Merkel besuchte damals landauf, landab «Bürgerdialoge». Bei denen wurde eines allerdings durch strikte Regie verhindert: irgendein echter Austausch zwischen der Regierungschefin und den Regierten. Diese durften lediglich Karteikärtchen mit ihren Vorstellungen über das «gute Leben in Deutschland» ausfüllen.

Das Gespräch sei «die Seele der Demokratie», so hat es der 2005 verstorbene frühere SPD-Generalsekretär Peter Glotz einmal gesagt. Doch seit Merkels Regierungszeit wird dieses Gespräch sehr einseitig geführt, mit immer neuen Belehrungen fürs Publikum. Eine Hoffnung für die Zeit nach den grossen Koalitionen und nach dem Ende der Ära Merkel hatte darin bestanden, dass das regierungsamtliche «Nudging», die sanfte Bevormundung der Bevölkerung, aufhören könnte. Der damalige SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte im Wahlkampf eine Kultur des «Respekts» gefordert. Das klang ganz so, als wäre er bereit, die Bürger im Falle eines Wahlsiegs wie Erwachsene zu behandeln…

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