Spektrum.de: Herr Kachelmann, nach dem Hurrikan „Ophelia“ über Irland und dem Sturmtief „Xavier“ in Norddeutschland sind die Medien wieder voll von Extremwetterberichten. Was verstehen Meteorologen aber unter einem „Extremwetter“? Ist dieses überhaupt definiert?
Jörg Kachelmann: Der Begriff ist wissenschaftlich eigentlich nicht klar abgegrenzt. Heute wird das alles inflationär verwendet – die Hoffnung auf billige Klicks macht die Meteorologie mittlerweile zum Fokus der meisten Lügengeschichten in den Medien. Es ist zum Mäusemelken, denn jeder Schwachsinn findet statt, weil er „gut läuft“. Nur schon gefühltes Extremwetter liefert gute Schlagzeilen, weshalb jedes einfache Tief hochgekocht wird und in manchen Redaktionen Schnappatmung auslöst.
Im Prinzip kann jeder für sich selbst entscheiden, was er unter Extremwetter versteht – in der Wahrnehmung vieler Menschen gehört schon dazu, dass es neuerdings im Sommer regnet und im Winter frostig wird. Denke ich persönlich an verschiedene Wettersituationen, dann fällt für mich am ehesten der Winter zum Jahreswechsel 1978/79 in Norddeutschland unter Extremwetter, als ein Schneesturm mit starken Schneefällen die öffentliche Versorgung zusammenbrechen ließ. Ein zweites Beispiel ist vielleicht noch Orkan „Lothar“, der am 26. Dezember 1999 über Mitteleuropa hinwegzog. Oder nehmen Sie die Heinrichsflut vom Juli 1965: Würde heute großflächig so viel Regen fallen wie damals am 15. und 16. Juli, wären die ersten Seiten der Zeitungen drei Wochen lang davon dominiert. Das sind Ereignisse, von denen ich denke, dass man sie in seinem Leben nur sehr selten erlebt. Andere Wetterlagen werden dagegen erst durch bestimmte Medien zum Extrem gemacht.
Sie haben sich vor einigen Wochen etwas unbeliebt gemacht, weil Sie in einer Diskussionsrunde bei „Maischberger“ unter anderem mit dem Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber und der Politikerin Bärbel Höhn von den „Grünen“ widersprochen haben, dass der Klimawandel bereits zu einer Zunahme extremer Wetterlagen in Deutschland geführt hätte. Stimmt es also nicht, dass mittlerweile mehr Stürme wie „Xavier“ oder Starkniederschläge wie im baden-württembergischen Braunsbach 2016 Deutschland heimsuchen?
Nein, die Daten geben das tatsächlich nicht her. Das bestätigt auch der Deutsche Wetterdienst – im Gegensatz zu den Temperaturen und dem Taupunkt, die sich signifikant verändert haben und nach oben gehen. Bei Starkregenereignissen oder Starkwinden können wir das anhand der Daten noch nicht belegen.Ich verstehe daher auch Klimaforscher wie Stefan Rahmstorf nicht, warum sie immer wieder auf dieser Klaviatur im Panikorchester spielen. Ja, es ist unbefriedigend zu sagen, dass schlimme Entwicklungen erst in der Zukunft stattfinden werden….