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Warum die Energiewende zu scheitern droht
Die Energiepolitik in Deutschland braucht grundsätzliche Korrekturen. Nur mit einer ehrlichen Analyse und einem streng wissenschaftlichen Ansatz lässt sich das Großprojekt Energiewende noch ökonomisch und ökologisch retten, schreibt Björn Vortisch
Von Björn Vortisch, 24. Februar 2020
Björn Vortisch ist CEO des international tätigen Energiedienstleisters Enexion Group. Er berät energieintensive Unternehmen und Datacenter, unter anderem in Fragen der globalen Energiewettbewerbsfähigkeit.
Unter Experten herrscht Einigkeit, was der Kraftakt Stromwende bringen muss: Echten Umwelt- und Klimaschutz, wettbewerbsfähige Stromkosten und hohe Versorgungssicherheit. Die Realität: Keines dieser Ziele ist bislang angemessen erreicht. Gleichzeitig verfehlt Deutschland seine Emissionsziele im Energiebereich und importiert regelmäßig Kohle- und Atomstrom, um seine Versorgung zu sichern. Wären unsere Nachbarn dem deutschen „Energiewende-Vorbild“ gefolgt, säßen wir schon im Dunkeln. Nachhaltig, vorbildlich und ökologisch ist das natürlich nicht.
Dabei werden die Kosten verschleiert, Fehler aus ideologischen Gründen nicht eingestanden und physikalische Fakten ignoriert. Weil sie vollständig von den heimischen Verbrauchern bezahlt werden, sind die Kosten der Stromwende ein rein lokaler Standortfaktor im globalen Wettbewerb. Hier fehlt es jedoch an Transparenz. So wird beispielsweise häufig nur die Gesamtsumme der Einspeisevergütung (2018 circa 11,6 Mrd. Euro) kommuniziert, anstatt auch die über die EEG-Umlage finanzierten Marktprämien an direkt vermarktete Erneuerbaren-Anlagen zu beziffern. Diese lagen 2018 bei circa 14 Mrd. Euro. Die ehrliche Summe für 2018 beträgt somit 25,7 Mrd. Euro. Seit 2006 wurden konkret nur über die EEG-Umlage circa 224 Mrd. Euro zusätzlich zu Stromsteuern und sonstigen Umlagen von den Verbrauchern aufgebracht.
Weitere Kosten für die Stromwende verstecken sich – politisch gewollt – in den Netzkosten, die deshalb in den vergangenen Jahren drastisch angestiegen sind, für Unternehmen teilweise um mehrere hundert Prozent. Denn neben den Netzausbaukosten werden zum Beispiel auch Zahlungen an notwendige Reservekraftwerke sowie Kosten für den Ausgleich der stark schwankenden Stromerzeugung durch erneuerbare Energien den Netzkosten und nicht der EEG-Umlage zugeschlagen.
Seriöse Studien gehen von weiteren, noch offenen Kosten in Höhe von 500 Mrd. Euro bis 2025 aus. Denn große Investitionen in Speicher, Transport- und Verteilnetze und sichere Kraftwerkskapazitäten müssen erst noch geschaffen werden.
Wenn es wirklich um nachhaltigen und bezahlbaren Umweltschutz geht, dann müssen die effizientesten Maßnahmen auch ideologiefrei diskutiert und die Kosten ehrlich kommuniziert werden. Ein Beispiel: Für weniger als 25 Prozent der bislang für die EEG-Umlage angefallenen Kosten hätten die vorhandenen Braun- und Steinkohlekraftwerke (2019: circa 42 Gigawatt installierte Leistung) durch moderne Gaskraftwerke ersetzt werden können. Der CO2-Einspareffekt: circa 140 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr – und somit 20 Millionen Tonnen mehr, als das Umweltbundesamt für die Einspareffekte aus dem bisherigen Erneuerbaren-Ausbau zeitgleich ausweist.
Da alle Stromerzeuger zu 100 Prozent dem Limit des EU-Emissionshandels (EU-ETS) unterliegen und somit die Gesamtemissionen des ETS in der EU immer gleich bleiben, hat diese Einsparung einen konkreten Wert: Circa 2,4 Mrd. Euro hätte der effiziente Kauf der Einsparung gekostet (bei Preisen von 20 Euro pro Tonne in 2018). Auch dieser Wert ist mit den oben genannten 25,7 Mrd. Euro für 2018 zu vergleichen.
Abschreckende Standortpolitik
Die Stromkosten für deutsche Verbraucher und Unternehmen gehören zu den höchsten in Europa – mit ungebremst steigender Tendenz. Zudem sind sie unkalkulierbar, denn die Energiegesetze werden laufend novelliert. Energieintensive Unternehmen brauchen aber verlässliche Rahmenbedingungen bei Gas- und Stromkosten. Permanente EEG-Novellen und Energiesammelgesetze mit praxisfernen Anforderungen zerstören Planungssicherheit. Denn sie führen unter anderem zu einem erheblichen bürokratischen Aufwand. So müssen Unternehmen, um von der EEG-Umlage entlastet zu werden, plötzlich den völlig irrelevanten Stromverbrauch von Kaffeemaschinen und Getränkeautomaten ermitteln. Dabei erfahren sie erst am Jahresende, ob sie von der Umlage befreit werden oder nicht. Diese Unsicherheit ist schlichtweg abschreckend für Standortinvestitionen.
Dieselben Fehler werden derzeit übrigens mit dem Brennstoffemissionshandelsgesetz der Bundesregierung zur Einführung des CO2-Preises wiederholt. So müssen deutsche Unternehmen die zusätzlichen Kosten durch die CO2-Besteuerung bereits ab 2021 tragen…