Klimaschutzgesetz: Teuer und planwirtschaftlich!

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Teuer und planwirtschaftlich

Was Fachleute am Entwurf des Klimaschutzgesetzes kritisieren

von Konrad Schuller, 2. März 2019

Im Herbst hatte der Weltklimarat Alarm geschlagen: Die Atmosphäre erwärmt sich, die Meere steigen, mehrere hundert Millionen Menschen sind in Gefahr. Ein „Systemwechsel“ sei nötig, für den es in der Geschichte „kein dokumentiertes Vorbild gibt“. Anfang dieses Monats nun hat die deutsche Umweltministerin, Svenja Schulze (SPD), einen Gesetzesentwurf ans Kanzleramt geleitet, der zeigen will, wie die Bundesregierung diese Jahrhundertaufgabe anpacken soll. Der Druck ist groß, denn Deutschland gehört neben den Vereinigten Staaten, Russland und Australien zu den schlimmsten Klimasündern – jedenfalls, was dePro-Kopf-Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid betrifft.

Die Strategie des Umweltministeriums: Deutschland muss bis 2030 seine Emissionen im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent reduzieren, bis 2050 sogar um 95 Prozent. Damit keine Branche, kein Ministerium ausbüxt, muss jeder relevante Wirtschaftssektor, von der Energie über Industrie, Gebäude und Verkehr bis zur Landwirtschaft, seinen CO2-Ausstoß in festen jährlichen Stufen herunterfahren. Tut er das nicht, sollen die zuständigen Ministerien zum Ausgleich europäische Emissionszertifikate kaufen müssen. So soll verhindert werden, dass sich wiederholt, was im Augenblick geschieht: dass Deutschland einen verbindlich beschlossenen Klimaschutzplan (in diesem Fall die Ziele für 2020) einfach nicht erfüllt.

Das Problem mit dem Entwurf des Ministeriums ist, dass ihn führende Fachleute schlecht finden. Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, lobt zwar, dass das Umweltministerium andere Ressorts mit in die Verantwortung nimmt. Dann aber folgt gleich der Tadel: Bei der Wahl der Mittel nämlich sei der Ansatz der Umweltministerin „klimapolitisch unzureichend“. Die Transformation einer ganzen Volkswirtschaft könne man „nicht allein durch Gebote und Verbote für einzelne Sektoren“ stemmen, sagte er dieser Zeitung…

In ihrem Vortrag hatte Svenja Schulze noch gesagt, sie werde „gemeinsam“ mit Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ein Konzept für eine CO2-Bepreisung erarbeiten. Es kam nicht dazu. Zwei Tage später ließ Scholz dementieren: Es gebe „keine Überlegungen“ in dieser Richtung. Was war geschehen?

Die Umweltministerin hatte das Richtige zur falschen Zeit gesagt. Kurz vor ihrer Rede nämlich hatten in Frankreich die Proteste der „Gelbwesten“ begonnen. Ausgelöst wurden sie durch den Plan des Staatspräsidenten Macron, zum Schutz des Klimas das Benzin durch einen Aufschlag auf die Kraftstoffsteuer zu verteuern. Auch Schulzes „CO2-Bepreisung“ aber würde die Kraftstoffpreise notwendig hochtreiben, und so ging ein Zucken durch die Bundesregierung, als sie ihr Konzept vorstellte. Als dann die Zeitung „Bild“ ihren Vorschlag als „Steuer-Hammer“ präsentierte, wurde klar, dass das Spiel mit einer CO2-Steuer eines mit dem Feuer der Volkswut war. Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung jedenfalls erzählt, seither höre er in den Ministerien für Umwelt und für Finanzen immer wieder ein und denselben Satz, wenn er auf die CO2-Steuer zu sprechen komme:

„Wir wollen keine ,Gelbwesten‘ in Deutschland.“

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