Ein kaum bekannter Energievertrag wird zur teuren Klage-Falle für Europa
Von Tobias Kalser, Brüssel, 31. August 2021
Die Energiecharta ist ein typischer europäischer Vertrag, den kaum ein Bürger kennt. Meistens taucht er erst dann in den Nachrichten auf, wenn er die Steuerzahler viele Millionen oder gar Milliarden von Euro kostet. Etwa als die Bundesregierung im März mit dem schwedischen Atomkraftwerkbetreiber Vattenfall 1,4 Milliarden Euro Entschädigung für den Atomausstieg vereinbarte. Der Aufschrei war damals groß.
Die Auseinandersetzung mit Vattenfall ist allerdings kein Einzelfall: Der deutsche Energieriese RWE verklagt gerade die Niederlande vor einem Schiedsgericht. Der Konzern fordert 1,4 Milliarden Euro, weil er wegen des niederländischen Kohleausstiegs ein Kohlekraftwerk bis 2030 stilllegen soll – ohne Entschädigung. Auch der deutsche Konzern Uniper klagt deswegen gegen die Niederlande.
Es ging um Versorgungssicherheit in Europa
Grundlage dieser Prozesse ist eben jener kaum bekannte Energie-Vertrag, der in den turbulenten Jahren nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion geschlossen wurde, um die Energieversorgung in Europa auch in den politischen Wirren der Nachwendezeit zu sichern. Er garantierte die Sicherheit europäischer Investitionen auf dem Territorium der zerfallenen Sowjetunion und in den Transformationsstaaten des ehemaligen Warschauer Paktes. Kraftwerke und Pipelines sind teuer, und Unternehmen brauchen Sicherheit, um in Projekte zu investieren, die sich teilweise erst nach Jahrzehnten rentieren…