Die Auslieferung des Naturschutzes an die Windkraft

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Die Auslieferung des Naturschutzes an die Windkraft

Der Beitrag von Dr. Epple wurde im Naturschutzmagazin 01/2021 der NaturschutzInitiative e.V. (NI) erstveröffentlicht.

Umland: Wie glaubwürdig ist ein überparteilicher Naturschutzverband, der seine Unabhängigkeit aufgibt und sich mit einer politischen Partei auf eine Einschränkung seiner Naturschutzziele verständigt?
Anmerkungen zum Strategiepapier von NABU und Bündnis 90/Die GRÜNEN zur Beschleunigung des Ausbaus der Windenergie. Ein Gastbeitrag von Dr. Wolfgang Epple.

„VOGELFRIEDEN“

Als „Vogelfrieden“ feiert die „Süddeutsche Zeitung“ am 05. Dezember 2020 das „Einlenken“ des NABU gegenüber den von der Partei Bündnis 90/Die GRÜNEN seit Jahren gepushten Begehrlichkeiten der Windkraftbranche. Wörtlich wird getitelt: „Energiewende: GRÜNE und NABU schließen Vogelfrieden. Umweltverbände klagen seit Jahren fleißig gegen Windräder – zum Schutz der Vögel. Jetzt lenkt der NABU dem Klimaschutz zuliebe ein.“

„Mehrmonatiger Prozess“

Unter Federführung des NABU entstand ein Papier zur „Beschleunigung des naturverträglichen Ausbaus der Windenergie“, so der notorisch irreführende Sprachgebrauch. Weitestgehend übernimmt der NABU sowohl Sprache als auch Forderungen der Windindustrie. Der Vorlauf ist ebenso eindeutig: Am 30. Januar 2020 forderte eine gemeinsame Pressemitteilung mit Thesenpapier im Verein mit weiteren Windkraft-Hilfsverbänden  die Beschleunigung des „naturverträglichen“ Ausbaus der Windkraft. Der „mehrmonatige Prozess“ der „Abstimmung“ des nun gefeierten „gemeinsamen Papiers“, so der Wortlaut einer NABU-Erklärung vom 5. Dez. 2020, kommt offensichtlich von langer Hand: Der SPIEGEL bejubelte schon am 9. Februar 2020 einen gemeinsamen Auftritt des NABU-Bundesvorsitzenden Jörg-Andreas Krüger mit dem GRÜNEN Oliver Krischer mit der vielsagenden Dachzeile „Was heißt hier bitte Vogelschredder?“. Denkwürdig: Oliver Krischer hat sich für den NABU offenbar als Verbündeter besonders qualifiziert. Er ist der Chef-Einpeitscher der GRÜNEN gegen Windkraftkritiker, die er als „Windkraft-Taliban“ verketzert hat.

Welches Ziel verfolgen die neuen Windkraft-Verbündeten?

Was treibt speziell den NABU zu dieser Unterwerfung? Ist es Kalkül späterer Machtbeteiligung unter GRÜNER Regierung, weil die anderen Parteien keine eigenen Akzente mehr setzen, wenn es um Energiewende und Windkraft geht? Ist es das Kalkül einer schon öfter erprobten Patronage?
Für die GRÜNEN geht die Rechnung auf: Die Windkraft-Partei hat Rückhalt nur bei ungefähr einem Fünftel der Wähler, und dies mehrheitlich beim naturfernen und von Auswirkungen der Windkraftindustrie so gut wie nicht betroffenen Großstadt-Publikum. Mit dem NABU steht nun Deutschlands – nach eigenen Angaben – größter Umwelt-Verband zu (Windkraft-)Diensten. „Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Der NABU ist überparteilich…“ tönt die NABU-Selbstdarstellung. Mit diesem „Vogelfrieden“ sind hierzu endgültig Zweifel angebracht. Kein Zufall jedenfalls ist, dass der eifrigste Beifall für die NABU-GRÜNEN-„Maßnahmenvorschläge“ post-wendend aus dem militant naturschutzfeindlichen Windkraft-Lager kommt, wenn der Vorsitzende des Bundesverbandes WindEnergie (BWE) in einer Pressemitteilung am 07.12.2020 die Gelegenheit nutzt, Windkraftkritiker nach Vorbild Oliver Krischer pauschal zu diffamieren und mit „Klimaleugnen“ diffus gleichzusetzen.

Die zweifelhaften Inhalte des „Vogelfriedens“

In acht Punkten zieht sich im NABU-GRÜNEN-Papier der Bezug auf Forderungen der Windkraftindustrie durch, allesamt Keulenhiebe gegen den Naturschutz; eine Auswahl: „Strommengen-bezogene-Ausbauziele“ mit dem Ziel „Artenschutzrechtlicher Ausnahmegrund öffentliche Sicherheit“.
Der Kollisionskurs mit Naturschutz-Europarecht (Vogelschutz-Richtlinie) kann den Verfassern nicht unbekannt sein. Nachsprechen der Vokabel „ausgewogene Energieversorgung“, wobei in jedem Bundesland ein Mindestanteil an Windstrom enthalten sein muss. Übernahme weiterer Parolen, so etwa, dass 2 Prozent der Landesfläche als Windkraft-Vorrangflächen genüge.

Ist die Forderung der Windlobby nach Ver-X-fachung von Windkraft an Land und offshore dem NABU unbekannt? Sicher nicht. Also: Bewusste gemeinsame Irreführung der Öffentlichkeit, denn allen am „Vogelfrieden“ Beteiligten ist bekannt, dass die Planungen der Energiewende in Verbindung mit der sogenannten Nationalen Wasserstoffstrategie, mit Sektorenkopplung, Elektromobilität und Power-to-X
auf eine alle Vorstellungskraft sprengende neue Dimension des Zubaus der Windkraft hinauslaufen müssen.
Wie soll sich eine verzehnfachte Windkraft im Land verteilen? Schon jetzt sind in Vorranggebieten der Natur höhere Prozentanteile der Fläche für Windkraft avisiert oder verwirklicht. Gleich mehrfach vorhanden im gemeinsamen Papier: Die kritiklose Forcierung des „Dichtezentren-Ansatzes“ für „windkraftsensible Arten“ bei Preisgabe des Artenschutzes außerhalb solcher fiktiven Dichtezentren. Das ist ein gezieltes Ignorieren der Vorgaben des höherrangigen EU-Rechtes durch einen Naturschutzverband.

Weiterer politischer Sprengsatz: Die vorgeschlagene Schwächung oder Aushebelung der Entscheidungshoheit auf Gemeinde- und Kreisebene; ein gezielter Angriff auf kommunale Selbstverwaltung und das Prinzip der Subsidiarität im Rechtsstaat. Der anschließende Vorschlag einer Heilbarkeit von „Formfehlern“ mit „Planerhalt“ ist darauf ausgerichtet, die bisher schon vielfach rechtsfehlerhaften und mit fachlichen Fehlern behafteten Genehmigungsverfahren für Windkraftindustrie aus der notwendigen rechtsstaatlich verankerten Prüfung vollends zu entlassen.

Damit nicht genug: Eine „Stichtags“-Regelung soll den Mangel eines fachgerechten Umgangs mit der Dynamik von Naturvorgängen, der das gesamte Eingriffshandeln der Windkraftindustrie seit Jahren kennzeichnet, zementieren. Das Ziel durchschaubar: Zusätzliche Erkenntnisse von Dritten, die ja erst nach Bekanntwerden von Eingriffsplanungen erhoben werden können, sollen nicht zugelassen werden.

„Vereinheitlichung des Maßstabes für das Tötungsrisiko“ umschreibt eine weitere Keule des „Vogelfriedens“ fragwürdige Standorte gegen den Artenschutz. Im Klartext: NABU und GRÜNE wollen den EU-rechtlich verankerten Schutz von Individuen besonders geschützter Arten endgültig durch Abheben auf eine fiktive Populationsebene aushebeln. Das geltende Recht aber sieht keine „Schwellenwerte“ für massenhaftes Töten von geschützten Wildtieren vor.
Der Hinweis auf „verursacherfinanzierte“ Ausgleichsmaßnahmen ist inzwischen von der Realität bereits überholt: Die Bundesregierung will der Forderung der Windkraftindustrie nachkommen, natur-schädigende Eingriffe im Rahmen des „Klimaschutzes“ von den gesetzlich verankerten Ausgleichspflichten nach Naturschutzrecht freizustellen. Ist dies den Verfassern des Papiers unbekannt?

Die NABU-Vorstellung des Aufwiegens von Schäden, die durch „räumlich konzentrierte Einzelvorhaben“ der Windkraftindustrie „durch Schaffung größerer… wertvollerer Gebiete“ kompensiert werden sollen, ist reines Wunschdenken. Oder ist es pure Naivität? Denn im krassen Gegensatz dazu steht die Realität: Überall, wo Windkraftindustrie in die letzten naturnahen Gebiete eindringt, treten die genau gegenteiligen Folgen ein: Entwertung bisher großer, für Natur und Mensch zusammenhängend wertvoller Gebiete.
Weitere Inhalte, etwa zu einem „Artenhilfsprogrammen“, im räumlichen Zusammenhang zu Windkrafteingriffen, bestätigen das Gesamtziel des Papiers:

Ermöglichung von Windkraftindustrie in möglichst durch den Arten- und Naturschutz unbehindertem Rahmen.

An Taten, Zielen und Forderungen sind die Verbündeten zu messen

Mit wem also hat sich der NABU verbündet? Erhellend ist der Blick in das Bundesland, in dem die GRÜNEN seit Jahren durchregieren: Die im „Vogelfrieden“ gepriesene „Dichtezentrenregelung“ ist vom grünen Umweltminister in Stuttgart längst als Fiktion ad absurdum geführt. Für den Rotmilan wurde sie per Federstrich an die Begehrlichkeiten der Windkraftindustrie angepasst.

Das aktuelle Wahlprogramm der GRÜNEN in Baden-Württemberg kündigt 2.000 Windräder auf Kosten des Staatswaldes an. Ein aktueller Fraktionsbeschluss der Bundes-GRÜNEN vom 15. 12. 2020 bekräftigt unter Punkt 5 die Forderung nach „zielführenden Ausnahmen beim Artenschutz“.

Unterwerfung unter die Forderungen der Windkraftlobby

Die Vereinbarung von NABU und GRÜNEN ist ein historischer Einschnitt: Die Führung eines Naturschutzverbandes mit großer und verdienstvoller Geschichte liefert sich explizit an nur eine politische Partei aus und wird zum Erfüllungsgehilfen der mit dieser verbandelten Windkraftindustrie. Die Konsequenz ist ein Abschied vom Gedanken des Schutzes großräumiger naturnaher Landschaften. Der Kotau des NABU vor GRÜNER Parteiprogrammatik und die Unterwerfung unter die Forderungen der Windkraftlobby schwächen Anliegen und Glaubwürdigkeit gleichermaßen. Eine schwere Hypothek.[Gastautor]

 

 

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