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Von Georg Etscheidt, 16. Dezember 2023
Im Grunde ist die „Große Transformation“ nichts anderes als Maos „Großer Sprung“, nur diesmal nicht im roten, sondern im grünen Gewand. Und liegt der eigentliche Sinn der inszenierten „Wenden“ nicht vor allem darin, einen anderen Menschen zu erschaffen?
Im Spätsommer des Jahres 1958 färbte sich im Kreis Dehong im Westen der chinesischen Provinz Yunnan der Himmel purpurrot. Tausende sogenannter Hinterhof-Hochöfen loderten auf, in denen Eisen geschmolzen wurde, um es anschließend zu Stahl zu verarbeiten. Stahl war der Fetisch der sozialistischen Moderne, nicht nur in China zu Zeiten Mao Zedongs, des „großen Steuermanns“. Rauchende Fabrikschlote, heulende Fabriksirenen, glühende Hochöfen, das Wummern gewaltiger Schmiedehämmer – das war der Stoff, aus dem sozialistische „Helden der Arbeit“ geboren wurden.
Im Jahr 1957 lag die chinesische Stahlproduktion noch bei gut fünf Millionen Tonnen, doch schon Ende 1960 sollte das nach der japanischen Besatzung großer Landesteile im Zweiten Weltkrieg und dem anschließenden Bürgerkrieg extrem rückständige Riesenreich die Sowjetunion überholt haben. Bis 1975 wollte Mao einen Stahlausstoß von sagenhaften 700 Millionen Tonnen erreichen und selbst Großbritannien, das Mutterland der Industriellen Revolution, weit überflügelt haben.
Die Eisen- und Stahlkampagne, in deren Verlauf sich das ganze Land in eine gigantische Metallhütte verwandelte, die letzten Endes fast nur Schrott produzierte, war eines der skurrilsten Kapitel des sogenannten „Großen Sprungs“ der Jahre 1958 bis 1962. Innerhalb kürzester Frist wollten Mao und die ihm ergebenen Kader der Kommunistischen Partei China in die industrielle Moderne katapultieren und zugleich ins sozialistische Paradies. Um das utopische Ziel zu erreichen, jagte eine aberwitzige Kampagne die andere, koste es, was es wolle.
Aberwitzige und realitätsferne Pläne
Der niederländische Historiker und Chinaexperte Frank Dikötter hat 2010 unter dem Titel „Maos Großer Hunger“ auf fast 500 Seiten eine Geschichte dieses Menschenexperiments veröffentlicht und dabei auf bis dato unveröffentlichte Dokumente und Interviews mit Zeitzeugen zurückgegriffen. Vieles indes schlummert noch in den Geheimarchiven der Kommunistischen Partei, die sich erst unter Deng Xiaoping, Maos anpassungsfähigem Gefolgsmann, von der sozialistischen Plan- und Kollektivwirtschaft löste und jenen Weg eines Staatskapitalismus einschlug, der das Land nun wirklich zu einer der größten Industrienationen der Welt gemacht hat, imstande, selbst die USA herauszufordern.
Dikötters detailreiches Buch ist kein Stoff für beschauliche Adventssonntage. Es zeigt, was Fanatiker anrichten können, wenn man sich ihnen nicht frühzeitig entgegenstellt. Und nach der Lektüre fällt es einem wie Schuppen von den Augen, dass die „Große Transformation“ im Grunde nichts anderes ist als Maos „Großer Sprung“, nur diesmal nicht im roten, sondern im grünen Gewand…