Nervosität in der Windbranche steigt

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Nervosität in der Windbranche steigt

Die Branche steht vor dem Umbruch: Die Auftragslage wird dünner, die Gewinne auch. Nun steht eine Fusionswelle bevor, die es in sich haben wird.
15.08.2017 08:58 Uhr, von Frank-Thomas Wenzel
4,28: Diese Zahl hat es in sich. Sie weist den Weg, wie es mit der Windenergie hierzulande weitergehen wird: Die Branche wird umgekrempelt.

4,28 Cent pro Kilowattstunde. Das ist der durchschnittliche Wert der zweiten Runde der Ausschreibungen für Windenergieanlagen an Land. Man konnte sich für Windpark-Projekte mit einer Gesamtleistung von 1013 Megawatt bewerben – das entspricht fast der Leistung eines Atomkraftwerks. Die günstigsten Offerten kamen zum Zuge. Das Ergebnis bestätige die positiven Erfahrungen aus von voran gegangenen Ausschreibungen im Offshore- und Photovoltaikbereich, so Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur. 

Die 4,28 Cent beweisen erneut, dass es bei den staatlich garantierten Abnahmepreisen für den Strom nur eine Richtung geben kann: nach unten. Positiv für Verbraucher daran ist, dass  Öko-Energie rasant billiger wird. Negativ für Windanlagen-Hersteller und deren Zulieferer ist, dass die Kosten in einer nicht erwarteten Geschwindigkeit und Größenordnung gedrückt werden müssen. „Keine Frage, der Kosten- und Innovationsdruck für die Hersteller der Anlagen und ihre Zulieferer wird steigen“, sagt Matthias Zelinger, Geschäftsführer von VDMA Power Systems, in dem Verband haben sich die Maschinenbauer der Windbranche organisiert.

Der Hintergrund: Die große Koalition hat die Förderung des Windstroms umgestellt. Früher legte die Politik im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fest, wie viel Cent der Betreiber einer Windanlage für jede Kilowattstunde bekommt, die er ins Netz einspeist. In diesem Jahr wurde das Regelwerk auf Ausschreibungen  umgestellt.  Am 13. April gab die Bundesnetznetzagentur bekannt, dass Zuschläge  mit null Cent erteilt wurden. Genauer gesagt  für drei Projekte in der Nordsee, die die dänische Dong-Energie und die baden-württembergische EnBW in den Jahren 2024 und 2025 realisieren wollen. Ein Überraschungscoup. Die beiden Unternehmen wollen auf eine garantierte Vergütung verzichten und den Nordsee-Strom auf dem freien Markt respektive an der Börse verkaufen – dabei galt Offshore-Wind noch vor Kurzem als teuerste der erneuerbaren Energien. Bei derr ersten deutschen Ausschreibung für Windenergie an Land  wurden Zuschläge mit einem Durchschnittswert von rund  5,7 Cent pro Kilowattstunde vergeben – auch dieses Ergebnis lag schon deutlich unter den bislang gültigen Vergütungen. Nun die 4,28 Cent.

Es gilt in der Branche nur als eine Frage der Zeit, bis die null Cent auch bei Onshore-Anlagen erreicht werden. Und sogar von Minus-Vergütungen ist bereits die Rede: Projektentwickler zahlen dafür, dass sie die Lizenz zum Aufstellen von Windrädern bekommen.  

Denn der Zubau wird rationiert. Nur 2800 Megawatt pro Jahr hat die Bundesregierung für Windkraft an Land für den Zeitraum 2017 bis 2019 vorgesehen.  Mühlen mit einer fast doppelt so großen Gesamtleistung wurden aber in der jüngeren Vergangenheit jährlich auf Hügel und Kuppen gestellt. Als weiterer wichtiger Faktor kommt hinzu, dass schon bei der Mai-Ausschreibung  fast ausschließlich sogenannte Bürgergesellschaften zum Zuge kamen. Das hat damit zu tun, dass die Bundesregierung  Windenergie-Initiativen von Öko-Fans besonders fördern wollte. Ihnen wurden Sonderkonditionen eingeräumt. Um sich bewerben zu können, müssen sie im Gegensatz zu großen Projektentwicklern keine Genehmigungen für ihre Anlagen vorweisen und haben längere Fristen für die Umsetzung der Projekte, nämlich bis zu 54 Monate.

Nur, diese Privilegien haben sich jetzt doch wieder die Vollprofis gesichert, sie haben  – völlig legal – Mitarbeiter losgeschickt, die Bürgergesellschaften gegründet haben, die dann mit Branchengrößen zusammenarbeiten. Und nun wurde wieder mit Pseudo-Initiativen getrickst…

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