Energiewende im Alleingang: Deutschland im Hintertreffen

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Energiewende im Alleingang hat Deutschland ins Hintertreffen gebracht

Die Energiewende im Alleingang gefährdet Deutschlands Versorgungssicherheit und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie. Eine Flucht aus der Falle gelingt nur über eine europäische Klimapolitik. Für einige Zeit müssen wir offen sein für Kernenergie.

Wolfgang Clement war von 2002 bis 2005 Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit.
Von Wolfgang Clement. 3. August 2019

Ist es nicht verrückt? Schon im Juni dieses Jahres haben die Netzbetreiber die Sicherheit der Stromversorgung in Deutschland nach eigenen Angaben „nur mit Unterstützung der europäischen Partner“ gewährleisten können. Was das heißt? Wir haben in dieser Zeit Atomstrom aus Frankreich oder der Tschechischen Republik oder Kohlestrom aus Polen bezogen.

Und nun, da wir die selbstgesetzten und auch die von der EU vorgeschriebenen Klimaziele für das Jahr 2020 gerissen haben, wollen wir bis zum Jahr 2022 auch noch aus unseren letzten, europaweit als besonders sicher geltenden Atomkraftwerken und zudem auch noch aus ein paar mehr Kohlemeilern aussteigen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird die Stromversorgungslage bis dahin aber nicht besser werden.

Die zwingend notwendige Infrastruktur für den Transport von Windstrom aus dem Norden steht bis dahin noch lange nicht, sie wird für die Versorgung des deutschen Südens nicht vor 2025, eher noch später zur Verfügung stehen. Wir werden folglich, wenn sich daran nichts ändert, noch mehr Atom- und/oder Kohlestrom „der europäischen Partner“ einführen müssen! Das ist die Logik, wenn wir der gegenwärtigen Entwicklung ihren Lauf lassen.

Sind wir wirklich so reich? Und so verrückt?

Vom tschechischen Energieminister las ich kürzlich, sein Land werde weiterhin Atomstrom produzieren, denn aus Kohle- und Atomenergie gleichzeitig auszusteigen, das könne sich sein Land nicht leisten, das könne nur das reiche Deutschland. Sind wir wirklich so reich? Und so verrückt?

Die rot-grüne Bundesregierung Schröder/Fischer hat im Jahr 2000 auf Vorschlag meines energiepolitisch äußerst versierten Vorgängers im Amt des Bundeswirtschaftsministers, des leider viel zu früh verstorbenen Werner Müller, erstmals einen Ausstieg aus der Kernenergie auf den Weg gebracht, der freilich recht kompliziert „gestrickt“ war. Er hätte sich für einzelne Kraftwerke über die 20er-Jahre hinweg erstrecken können, das letzte AKW wäre vermutlich 2032 abgeschaltet worden…

 

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