CDU-Wahlkampfauftakt in Hessen Was Angela Merkel sagte – und vor allem,was sie nicht sagte
Angela Merkel machte es Anhängern und Gegnern nicht leicht an diesem heißen Nachmittag. Wer die Kanzlerin betrachten, beklatschen oder ausbuhen wollte, der musste sich irgendwo zwischen Frankfurt und Fulda durch die engen Gassen eines Kleinstädtchens quälen, über holpriges Kopfsteinpflaster eine steile Anhöhe hinauf, vorbei an manch nettem Lädchen, aber auch viel deprimierendem Leerstand.
Hier, in Gelnhausen, hat Peter Tauber seinen Wahlkreis, und mannhaft hatte der CDU-General dem Gelnhauser Obermarkt die Ehre erkämpft, den ersten echten Wahlkampfauftritt der Parteivorsitzenden auszurichten. Am Samstag hat Merkel zwar schon in Dortmund eine Art Wahlkampfrede gehalten, aber dazu hatte die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA) eingeladen, entsprechend gesetzt waren die Themen. Erst im Osten Hessens fiel nun der offizielle Startschuss zur Kampagne 2017 mit ihren rund 50 Merkel-Auftritten.
Peter Tauber dürfte auf viel Aufmerksamkeit und Presse gehofft haben für diesen Auftakt, und alles war auch sehr hübsch hergerichtet in diesem hessischen Fachwerkidyll. Doch der Auftritt am Obermarkt zieht wohl kaum in die Hitliste christdemokratischer Wahlkampfhighlights ein. Was auch, aber beileibe nicht nur, an dem lag, was Angela Merkel sagte und nicht sagte.
Da war zunächst mal das Beiprogramm, das ein bisschen zum Fremdschämen einlud. Gleich zu Beginn scheiterte die mit dem Wahlkampfteam reisende Moderatorin drei Mal dabei, das Publikum korrekt anzusprechen: Bei „liebe Gelnhausener“ hagelt es sofort laute Pfiffe selbst von sonst so zurückhaltenden Senioren. Auch Versuch zwei und drei – „liebe Gelnhauser“ und „liebe Gelnhäusener“ – gingen schief und in Buhrufen unter. Gelnhäuser wäre richtig gewesen, aber die Ansagerin gab vorher auf.
Stattdessen versuchte sie, erneut vergeblich, das schwitzende, zumeist aus Senioren bestehende Publikum brachial in Stimmung zu bringen: „Von Ihnen erwarte ich, dass Sie jetzt aufstehen und Begeisterung zeigen.“ Auch diesen Ton goutierten nicht alle Anwesenden. Es lässt sich nun mal niemand gern zum Singen zwingen, auch nicht in der Provinz…
Nur wurde der freundliche Beifall überlagert von anhaltenden, gellenden Pfiffen, Ratschen, Rasseln und Buh- oder „Lüge“-Rufen. Auf der einen Seite schrien sich AfD-Anhänger mit „Hau ab“ und „Merkel muss weg“ die Kehle wund, auf der anderen protestierten Windkraftgegner vom Dachverband Gegenwind MKK/Naturpark Spessart. Manche Demonstranten regten sich über Zuwanderung auf, andere über Waffenlieferungen: Der prall gefüllte Obermarkt war regelrecht in die Zange genommen von Protestlärm.
Doch Merkel kann mit solchen Situationen umgehen. Unmutsäußerungen gehörten in einer Demokratie dazu, sagte sie nonchalant, und dass „ein bisschen Zuhören manchmal auch nicht schlecht ist.” Nur blieb sie jenen, die tatsächlich zuhörten, konkrete Ansagen doch weithin schuldig. Beispiel Windkraft: Den rund 100 demonstrierenden Windkraftgegnern versicherte die Kanzlerin ihr „vollstes Verständnis“ dafür, dass Windräder nicht überall und ohne Rücksicht auf Verluste aufgestellt werden könnten…